Tagung: Fortschritt als Signatur der Neuzeit

Mittwoch, 18. Februar 2015 - 9:30 Uhr bis Freitag, 20. Februar 2015 - 18:30 Uhr

Verantwortlich: Professor Dr. Christoph Asmuth, Vincent Heßling und Simon Gabriel Neuffer
Organisation: Simon Gabriel Neuffer (s.neuffer@fu-berlin.de), Vincent Heßling (vh2213@columbia.edu)
Zeit und Ort: Vom 18. bis zum 20. Februar 2014, an der Technischen Universität Berlin
Offizielle Website: www.a-priori.eu

Hier können Sie das Tagungsprogramm als PDF herunterladen.

Der Begriff ›Fortschritt‹ ist allgegenwärtig, sei es als Forderung oder als Gegenstand der Kritik: Vom Fortschritt der Wissenschaft ist die Rede, der Gesellschaft, der Politik, selbst von Fortschritt im Recht wird gesprochen und auch die Kunst und ihre Geschichte werden oftmals unter diesem Begriff verhandelt. Besonders augenfällig aber ist Fortschritt in Gestalt der Technik, die geradezu zum Synonym für Fortschritt geworden ist. In dem Maße, in dem technischer Fortschritt mit der Vorstellung von Herrschaft und Macht verknüpft ist, wird er zu einem nahezu unwiderstehlichen Argument und Machtinstrument. Mehr noch, er entfaltet eine eigene, kaum zu hintergehende Macht. Fortschritt wird Ideologie. Nicht nur das öffentliche Leben ist davon betroffen: Technischer Fortschritt ist zu einem Imperativ in allen Lebensbereichen geworden. Durch die fortschreitende Digitalisierung des Privaten, der Person in allen ihren Belangen, rückt uns die Technik zu Leibe.

So allgegenwärtig ›Fortschritt‹ auch ist, so flüchtig erscheint er bei dem Vorhaben, ihn in seiner Bedeutung zu erfassen: »Mehr noch als andere zergeht der Begriff Fortschritt mit der Bestimmung dessen, was nun eigentlich damit gemeint sei, etwa was fortschreitet und was nicht« (Adorno). Dieses ›Zergehen‹ des Begriffs hängt damit zusammen, daß im Fortschritt nicht nur ein Zeitverhältnis gedacht wird, sondern daß ihm vor allem eine besondere Zweckstruktur zugrunde liegt. Fortschritt ist zu seinem eigenen Subjekt geworden, er hat sich verselbständigt und scheint bedeutsam, ohne daß sein Ziel, seine Herkunft oder sein Gegenstand noch angegeben werden müßten. Fortschritt meint Fortschritt schlechthin.

Die Philosophie nimmt mit ihrem Verhältnis zum Fortschritt in zweierlei Hinsicht eine Sonderstellung ein. Zum einen hat sie die Entstehung des Begriffs wesentlich bestimmt und dazu beigetragen, dass er zu einem Grundbegriff des neuzeitlichen Geschichtsbewußtseins wurde. Zum anderen tut sie sich selbst mit dem Fortschritt schwer. Einerseits ist ihre Geschichte seit der Neuzeit von dem wiederkehrenden Versuch geprägt, ihr durch Methodisierung zu einem sichereren Fortgang zu verhelfen, andererseits haben diese Versuche auch zu Kritik und Krise der Philosophie geführt.

Durch diese grundlegende Funktiondes Begriffs und die Allgegenwart seiner Erscheinungsformenbleibt die Frage nach dem Rechtsgrunddes Fortschritts ein dringendes Anliegen. Dies gilt umso mehr, da eine kritische Untersuchung des Fortschrittsdenkens mit grundlegenden Fragen der Philosophie verknüpft ist. Daß dieser Versuch schon oft unternommen wurde (Bury, Kuhn, Koselleck, Mittelstraß), zeugt vom Gewicht der Fortschrittsfrage. Daß diese nicht zureichend behandelt werden kann, liegt im Begriff des Fortschritts selbst begründet: In der Aufklärung wird ›Fortschritt‹ als Gegenkonzept geschichtlicher Kontingenz gedacht; Moderne und Postmoderne hingegengeht nicht nur die Möglichkeit verloren, allgemein verbindliche Ziele zu formulieren, sondern der Anspruch auf die Frage selbst gerät unter Ideologieverdacht.

Die diesjährige Tagung des Forschungsnetzwerks »Transzendentalphilosophie/Deutscher Idealismus« soll dem Thema ›Fortschritt‹ erneut Raum bieten. Der Aufruf richtet sich ausdrücklich an alle Fachbereiche, die eine theoretische Beschäftigung mit der Frage nach dem Fortschritt erlauben.Mögliche Themen und Fragestellungen wären: Fortschritt und Geschichte, Fortschritt und Handeln, Fortschritt und Entwicklung zwischen Individuum und Gattung, Fortschrittsglaube und Säkularisierung, Fortschritt und die Frage nach Alternativen, Macht und Ideologie des Fortschritts, Fortschritt zwischen Utopie und Wirklichkeit, Fortschritt und Kunst.Beiträge zu diesen und weiteren Themen sowie zur Struktur, zur Geschichte und zu verschiedenen Verwendungen des Begriffs sind sehr willkommen.

Mittwoch, den 18. Februar
Raum H 2037

10:00­–10:30 Uhr
Christoph Asmuth: Begrüßung
10:30–11:30 Uhr
Prof. Dr. Thomas Gil: Die Singularisierung des Vielfältigen
11:30–12:30 Uhr
Simon Gabriel Neuffer: Fortschritt am Ende der Geschichte? Zu Hegels Kritik an Kants Fortschrittsbegriff
12:30–14:00 Uhr: Mittagspause
14:00–15:00 Uhr
Prof. Dr. Emiliano Acosta: Kants anthropologische Maschine: Epigenesis in weltbürgerlicher Absicht
15:00–16:00 Uhr
Dr. Cristiana Senigaglia: Die Entzauberung der Welt
16:00–16:30 Uhr:  Kaffeepause
16:30–17:30 Uhr
Dr. Ahmet Cavuldak: Fortschritt: Säkularisierung des Christentums oder Selbstbehauptung der Moderne
17:30–18:00 Uhr: Kaffeepause
18:00–20:00 Uhr: Abendvortrag
Prof. Dr. Michael Schulz: Die jüdisch-christliche Signatur des neuzeitlichen Fortschrittsgedankens

Donnerstag, den 19. Februar
Raum H 2037

09:00­–10:00 Uhr
Dr. Tatjana Noemi Tömmel: Fortschritt durch Geschmack. Bendavids Ästhetik als Anthropodizee
10:00–11:00 Uhr
Dr. Alessandro Bertinetto: Artwork in Progress?
11:00–12:00 Uhr
Vincent Heßling: Narrative des technischen Fortschritts
12:00–13:30 Uhr: Mittagspause
13:30–15:00 Uhr
Prof. Dr. Till Kuhnle: Die Offenbarung des Fortschritts nach Victor Hugo. Die klassische deutsche Philosophie an der Schwelle zur technologischen Zivilisation
15:00–15:30 Uhr:  Kaffeepause
15:30–16:30 Uhr
Prof. Dr. Héctor Ferreiro: Der Geist als Manifestation und das Problem vom Ende der Geschichte
16:30–17:30 Uhr
Dr. Max Winter: Wachstum, Wohlstand, Freiheit. Optionen einer normativen Theorie der Ökonomie
17:30–18:00 Uhr: Kaffeepause
18:00–20:00 Uhr: Abendvortrag
Prof. Dr. Walther Ch. Zimmerli: Fortschritt als transzendentales Konstrukt. Die klassische deutsche Philosophie an der Schwelle zur technologischen Zivilisation

Freitag, den 20. Februar
Raum H 2037

09:00­–10:00 Uhr
Dr. Mauricio Mancilla Muñoz: Fortschritt als Aufgabe in Schleiermachers Hermeneutik
10:00–11:00 Uhr
Karl Kraatz: Fortschritt und die Frage nach Alternativen. Eine phänomenologische Kritik am Fortschritt
11:00–12:00 Uhr
Timo Klattenhoff: Dematerialisierung des Geldes als gesellschaftlicher Fortschritt
12:00–13:30 Uhr: Mittagspause
13:30–15:00 Uhr
Prof. Dr. Jakub Kloc-Konkolowicz: Fortschritt als normativ-heuristische Fiktion
15:00–15:30 Uhr:  Kaffeepause
15:30–16:30 Uhr
Patrycja Pendrakowska: Ambivalenz des Fortschritts und sein Bezug zur Kultur: Zwischen Walter Benjamin und Theodor Adorno
16:30–17:30 Uhr
Florian Franken: Inwieweit lässt sich am Fortschritt der menschlichen Praxis zweifeln? Überlegungen zu Wittgensteins Motto in den Philosophischen Untersuchungen
17:30-18:30 Uhr
Thies Johannsen, Anne Becker: Fortschritt als permanente Katastrophe